Dienstag, 5. April 2011

Was ist eigentlich an der Elfenbeinküste los?

Was ist eigentlich an der Elfenbeinküste los?

Mir drängt sich das Gefühl auf, das neben all den Gaddafis und Fukoshimas - schlimm schlimm - ein Schauplatz massiv in den Hintergrund geraten ist. Und das trotz grausamer Verbrechen gegen die Menschheit, das Ausmaß scheint dramatisch zu sein.

Also ganz von vorne: was ist da eigentlich los, in der Republik Côte d'Ivoire?

Die Elfenbeinküste, eigentlich offiziell nur noch Republik Côte d'Ivoire genannt, liegt an der afrikanischen Westküste, im Osten angrenzend an Ghana, im Westen liegt Liberia, den Norden teilen sich Guinea, Mali und Burkina Faso. Sie ist augenblicklich das Zuhause für über 21 Millionen, vornehmlich junge, Menschen. Das mittlere Alter der Bevölkerung, gemessen am Median, ist unter 20, im Vergleich dazu klingt Deutschland mit einem Median von 45 fast wie kurz vor der Vergreisung.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts Teil von Französich-Westafrika, erlangte die Republik Côte d'Ivoire im Jahr 1960 die Unabhängigkeit. Bis zum Jahr 1999 sah das Land nur zwei Staatsoberhäupter, Felix Houphouët-Boigny, Gründer der „Parti Democratique de Côte d’Ivoire“ (PDCI), bis 1993 sowie Henri Konan Bédié, ebenfalls PDCI, der 1999 per Putsch vom Militär abgelöst wurde. 1999, leider generell ein schlechtes Jahr für das Agrarland, denn die Einbrüche der Kakaopreise trafen den Weltmeister im Kakaoexport besonders hart und stürzten das Land in eine tiefe wirtschaftliche und nach dem Militärputsch auch politischen Krise. Seit 2000 wird das Land von Laurent Gbagdo angefürht, doch die Stabilität hat sich seither nicht wieder eingestellt. Ganz im Gegenteil, motiviert durch ethnische Spannungen und den Zugang zu Ressourcen kommt es 2002 zu einem Aufstand der "Forces Nouvelles" Rebellen, die nun den Norden des Landes kontrollieren. Bürgerkrieg. Die UNO und Frankreich schicken daraufhin über 10.000 Soldaten, die für Ruhe und Frieden in der Region sorgen sollen. Frankreich ist es dann auch, das eine Teilung der Macht zwischen Gbagbo im Süden und den Forces Nouvelles, die immer noch den Norden unter ihrer Kontrolle haben, durchsetzt. Doch ein Ende der Auseinandersetzungen wird dadurch nicht hergestellt. 2004 wurde ein neuer Höhepunkt im Konflikt erreicht, als Gbagbo den Norden aus der Luft angreift, französische Soldaten kommen uns Leben, die Vergeltung dafür ist die komplette Zerstörung der Luftwaffe durch das Französische Militär.

2007 ein erneuter, nun bereits der Dritte, Versuch eines Friedensvertrags, doch diesmal scheint es erfolgsversprechend zu sein. Gbagbo und Rebellenführer Soro einigen sich und Soro wir neuer Premier, Gbagbo bleibt Präsident. Die Schaffung einer Pufferzone soll die Annäherung der gegnerischen Truppen des Südens mit den Forces Nouvelles im Norden erleichtern.

2010 dann, nach etlichen Verzögerungen, Präsidentschaftswahlen. Doch bereits die Vorbereitungen laufen alles andere als rund: Kandidaten werden nicht zugelassen, es werden Wähler systematisch von der Wahlregistrierung ausgeschlossen. Gbagbo geht als Sieger hervor, gefolgt vom Kandidaten der Opposition Ouattara. Eine Stichwahl soll die Entscheidung zwischen Gbagbo und Ouattara herbeiführen, doch die bringt nur noch mehr Chaos und Gewalt. Massive Unruhen begleiten die Stichwahl, es werden "Wahlempfehlungen" ausgesprochen und Urnen konfisziert.

Ouattara gewinnt die Stichwahl, doch der regierungstreue Verfassungsrat erklärt die Ergebnisse einiger Regionen für nichtig, wovon wiederum Gbagbo als nun - laut Verfassungsrat- neuer Sieger profitiert. Beide Kandidaten beanspruchen das Präsidentenamt und legen den Amtseid ab. Erneut bürgerkriegsähnliche Zustände in der Republik Côte d'Ivoire. Der UNO Wahlbeobachter erklärt das ursprüngliche Wahlergebnis für gültig, die Entscheidung des Verfassungsrat allerdings sei nicht nachvollziehbar, sodass der rechtmäßige Wahlsieger Ouattara heißen muss. Nun also auch die UNO gegen Gbagbo. Die Gewalt nimmt kein Ende, die gegnerischen Parteien liefern sich blutige Auseinandersetzungen.

Noch Ende 2010 beschließt die internationale Gemeinschaft Sanktionen gegen Gbagbo, es werden Konten eingefroren und Einreiseverbote ausgesprochen. Nachdem diverse internationale und nationale Bankfilialen schließen und gar die Börse dicht macht, wird die Republik Côte d'Ivoire von der wirtschaftlichen Ader abgekapselt.

Ende Februar 2011 scheint der Bürgerkrieg erneut auszubrechen, der Friedensprozess kommt zum erliegen. Abertausende Menschen flüchten vor der unberechenbaren Gewalt, die UNO spricht von mehr als 300.000 Flüchtlingen.

Anfang April dann der Schießbefehl der UNO für die Blauhelme, sie sollen weitere zivile Opfer verhindern. Gleichzeitig scheinen die Truppen von Ouattara immer weiter in Gbagbo-Gebiete vorzudringen. Ist ein Ende nun in Sicht?

Erstaunlich, wie in letzter Zeit neben den Mega-Nachrichten Fukoshima und Gadaffi die Unruhen und Verbrechen in der Republik Côte d'Ivoire untergegangen sind. Ein ganzes Land bricht auseinander, Tausende Menschen auf der Flucht, die internationale Gemeinschaft eingebunden und trotzdem sorgen sich alle nur um den FDP Parteivorsitz, die Evakuierungszone und die Gadaffikonten. Wo ist eigentlich der Elfenbeinküste-Liveticker???

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen